»Virtuos« war das 5. Symphoniekonzert des Göttinger Symphonieorchesters der Saison überschrieben. Nach einem kurzfristigen Wechsel beim Dirigat gab es auch Änderungen im Programm. Virtuos ging es dennoch zu bei Mozart, Tschaikowsky und Brahms.
Statt der bulgarischen Dirigentin Delyna Lazarova wurde kurzfristig der erst 25jährige deutsch-spanische Dirigent Luka Hauser verpflichtet. Hauser ist seit der letzten Spielzeit neuer Kapellmeister an der Staatsoper Stuttgart. Für ihn wurde das Programm geringfügig geändert, aus der Ouvertüre zu Mozarts Oper »Don Giovanni« wurde »Cosi fan tutte«, aus Rimski-Korsakows Sinfonie Nr. 1 wurde Mozarts Sinfonie A-Dur KV 201, dazu kam noch die »Variationen über ein Thema von Joseph Haydn« von Johannes Brahms. Geblieben war das im Zentrum des Programms stehende Klavierkonzert Nr. 2 von Pjotr I. Tschaikowsky mit dem Pianisten Joseph Moog.
Moog (Jahrgang 1987) gehört längst zu den bedeutenden Pianisten unserer Zeit und ist in allen großen Konzerthäusern der Welt zuhause. Für den Abend in Göttingen hat er ein Werk ausgewählt, das keineswegs in allen Konzerthäusern zuhause ist: das zweite Klavierkonzert von Pjotr I. Tschaikowsky führt eher eine Art Schattendasein. Zu Unrecht, wie der Abend mit dem GSO zeigte. Das fulminante Klavierkonzert Nr. 1 genießt völlig zu Recht große Berühmtheit. So war für die meisten Besucher:innen dieses Klavierkonzert Nr. 2 G-Dur eine Neuentdeckung. Sie hörten einen Pianisten, der den virtuosen Part kraftvoll gestaltete. Es schien bisweilen, dass Moog den Steinway-Flügel in der Stadthalle an seine Grenzen bringen wollte. Dass Moog auch anders spielen kann, wurde im zweiten Satz deutlich. Das Klavier wird hier fast zu einem Begleitinstrument für die Solostellen der ersten Geige und des ersten Cellos. Natalia Scholz und Joanna Kielar-Zachlod zeigten hier nicht nur herausragende Fähigkeiten und eine überaus poetische, berührende Gestaltung ihres Parts, sondern auch ein besonders fein abgestimmtes Zusammenspiel. Das Klavier war hier eher ein Farbtupfer in diesem Tripelkonzert. Erst im dritten Satz kam Joseph Moog wieder zu seinem Recht: virtuos und temperamentvoll begeisterte er das Publikum, bei dem er sich mit dem g-Moll-Etudes-tableaux von Sergei Rachmaninow bedankte.
Der Abend begann frisch und spritzig, das GSO partiturbedingt in kleinerer Besetzung: die Ouvertüre zur Oper »Cosi fan tutte«, aber auch die Sinfonie A-Dur KV 201 nach der Pause zeigten an diesem Abend ein wunderbares, anderes Gesicht des GSO: federleicht, spritzig, virtuos und in allen Instrumentengruppen hervorragend besetzt. So wird aus der Musik ein perfektes Mozart-Erlebnis. Im letzten Stück des Abends konnten sich die GSO-Mitglieder wieder in großer Besetzung präsentieren: aus dem Haydn zugeschriebenen kammermusikalischen Thema aus dem »Chorale St. Antoni« wurde in den Variationen große Symphonik, immer wieder mit der Möglichkeit für einzelne Instrumente, ihr Können zu beweisen. Hier seien vor allem die Hörner und die Holzbläser (insbesondere die Oboistin Huijing Xu) genannt – auch wenn die Akustik der Stadthalle es den Spielenden nicht immer einfach machte, den Klang differenziert zu gestalten.
Luka Hauser hatte sich intensiv mit den Werken des Abends beschäftigt. Das war seinem exakten und engagierten Dirigat anzumerken. Der 1997 geboren Pianist und Dirigent ist talentiert und hat sicher noch eine große Karriere vor sich. Dass ein Dirigierstab nicht nur als Taktstock dienen kann, sondern aus ihm auch Funken sprühen können, die ein Orchester zum Brennen bringen, konnte er bei seinem Göttinger Auftritt nicht durchgehend zeigen. Fehlten an diesem Samstag die Funken aus dem Dirigierstab, dann wirkten die selbstzündenden Fähigkeiten des Göttinger Symphonieorchesters. Diese sorgten dann für die richtige Betriebstemperatur auf der Bühne und in der Musik.
So konnte das gesamte Ensemble mit Luka Hauser am Pult, Joseph Moog am Klavier und den Musiker:innen des Göttinger Symphonieorchesters diesen virtuosen Abend sehr erfolgreich gestalten. Das sah auch das Publikum in der gut gefüllten Stadthalle so und spendete am Ende langanhaltenden Beifall.
Im nächsten Konzert des GSO in der Stadthalle dirigiert der künstlerische Leiter der Internationalen Göttinger Händel-Festspiele George Petrou am 16. Mai um 19.45 Uhr. Auf dem Programm steht die 1. Sinfonie von Ludwig van Beethoven sowie die »Sarabande« vom britischen Musiker und Deep-Purple-Gründer Jon Lord.